Das Interview mit Aya Jaff hat Attikus A. Schacht mit großer Aufmerksamkeit gelesen. Die Start-Upperin hat sehr viele Aspekte angesprochen, die für den Dialog mit dem Kunden in Zukunft wichtig sein werden. Eine Antwort. (von Attikus A. Schacht)

Lassen Sie mich versuchen Aya Jaffs Punkte in ein ganzheitliches Service- Bild zu setzen und zu ergänzen. Es ist richtig, dass die Generationen X bis Z andere Erfahrungen machen und mit den digitalen Medien anders aufgewachsen sind. Wir erleben jedoch im Service eine Verschmelzung der Generationen.

Auch die Älteren sind im Internet massiv unterwegs, sind heute mobil mit allen Medien verbunden und nutzen diese. Hier sprechen wir von einer Generation „C“ wie „Connected“. Es ist also wichtig im Service zu wissen mit welchen Zielgruppen man kommuniziert und wie man sich auf diese Kunden einstellen kann, egal über welchen Kanal sie mit einem in Kontakt treten. Ziel muss es sein, einen individuellen, personenbezogenen Service zu erbringen. Hierbei helfen analytische Tools, um dem Mitarbeiter im Kundenservice die relevanten Informationen des Kunden aufzuzeigen und ihm seine wahrscheinlichsten Bedürfnisse zu prognostizieren.

Ist der Kunde authentisch und passend begrüßt worden, kommt es auf die richtige und zielgerichtete Wissensvermittlung an. Im Mittelpunkt steht, um Begriffe von Aya Jaff aufzunehmen und zu ergänzen, das Know-How-Netzwerk und die Expertise. Es ist also immens wichtig das Wissen des Unternehmens gut strukturiert dem zukünftigen Wissens-Mitarbeiter und auch dem Kunden zur Verfügung zu stellen.

Denn es muss vollkommen irrelevant sein über welchen Kanal der Kunde seine Fragen und sein Anliegen stellt. Die Beantwortung muss inhaltlich immer gleich sein; ob über Self-Service-Kanal, Email, ChatBot, Social-Media-Kanälen oder über Telefon, es müssen – vom Content her zwar unterschiedlich aufbereitet – die gleichen Informationen verfügbar sein. Hier steht schon heute und erst recht zukünftig immer stärker ein professionelles Wissensmanagement im Mittelpunkt.

„Transparenz ist künftig das Mittel der Wahl, um gegenüber Kunden und Mitarbeitern ehrlich und authentisch zu kommunizieren.“

Das Wissensmanagement stellt sozusagen den Nukleus der Zusammenarbeit aller Mitarbeiter dar. Denn um einen zielgruppenspezifischen oder gar individualisierten, exzellenten Service allen Kunden jeden Tag bieten zu können, müssen die Mitarbeiter, vom Chef bis zum Kundenbetreuer, zusammenarbeiten und sich tagtäglich an die Bedürfnisse des Kunden anpassen. Diese ständige Veränderung und Adaption der Anforderungen ist nur als eingespieltes Team möglich. Über die Analytics von Sprache und Daten kann man heute durch Tools teilweise schon in Echtzeit Tendenzen und Stimmungen der Kunden aufdecken, die eine schnelle und frühzeitige Reaktion, beispielsweise bei massenhaft auftretenden Störungen, ermöglichen.
Von diesen Tools profitieren dann auch die Mitarbeiter, da ein Qualitätsmanagement mit zielgerichteten Schulungen für alle schneller und transparenter möglich ist. Somit kann der Kundenbetreuer respektive Wissens-Mitarbeiter dem Kunden gegenüber noch mehr Kompetenz vermitteln, was wiederum in einer höheren Kundenzufriedenheit mündet.

Wenn wir an operative Prozessverbesserungen und Optimierungen denken, sind auch diese nur im Team identifizierbar und realisierbar. Kundenbetreuer bekommen in den Kundenkommunikationen die Herausforderungen und Nöte der Kunden hautnah mit. Nur wenn wir dieses Wissen in alle Prozesse des Unternehmens miteinbeziehen, kann das ganzheitliche Kundenerlebnis besser werden.

Der Aspekt des Homeworkings passt in diesem Zusammenhang sehr gut, wobei ich diesen gerne deutlich erweitern möchte. Es kommt insbesondere im Kundenservice auf die Mitarbeiterzufriedenheit an und da ist Homeworking nur einer von vielen Punkten: Welches Klima herrscht? Wie ist die Bezahlung? Wie funktioniert das Team? Wie ist das Verhältnis zu den Vorgesetzten? Kann ich im Homeoffice arbeiten? Sind die Räumlichkeiten ansprechend? Ist die eingesetzte Technologie für die Mitarbeiter ergonomisch und auf die Prozesse des Kundenservices ausgerichtet? Gibt es Team Meetings und Events? Werden Erfolge gemeinsam gefeiert? Dies stellt lediglich eine Auswahl von Punkten dar, die die Zufriedenheit der Mitarbeiter und damit in direkter Korrelation auch die Kundenzufriedenheit beeinflusst. Dies haben viele Studien, wie etwa das Service Excellence Cockpit aufgezeigt.

In diesem Zusammenhang spielt auch die von Aya Jaff angesprochene Transparenz eine entscheidende Rolle. Aus meiner Sicht ist Transparenz auf allen Seiten heute und in Zukunft das Mittel der Wahl, um gegenüber den Kunden und Mitarbeitern ehrlich und authentisch zu kommunizieren. Genau das wünschen sich alle Beteiligten. Das Beispiel Chatbot kann meiner Ansicht nach deutlich erweitert werden. Warum geben wir dem Kunden nicht einfach die Wahl, ob er mit einer Maschine verbunden werden möchte? Die Vorteile der Schnelligkeit und Erreichbarkeit kann man ihm vermitteln: „Jetzt sofort und rund um die Uhr, dafür ein Algorithmus“.

Ebenfalls müssen wir in diesen Fällen dem Kunden auch erklären, dass ein solcher Algorithmus derzeit nur ein bestimmtes Spezialgebiet abdeckt. Der persönliche Service von einem Mitarbeiter kann ein deutlich breiteres Spektrum an Fragensets beantworten, empathischer auf den Menschen eingehen, komplexere Prozessabläufe vermitteln und gleichzeitig selbständig Entscheidungen treffen und anstoßen.

Sehr schön stellt dies Materna in seinem Whitepaper „Chatbots im Service – Sprechstunde rund um die Uhr“ dar. Für einfache Cases macht es einfach Sinn, die Möglichkeiten der Automatisierung zu nutzen. Das muss nicht unbedingt gleich mit künstlicher Intelligenz geschehen, es genügt in vielen Fällen auch ein Regelwerk. Ein Wissens-Mitarbeiter steht dem Kunden dann ausschließlich für jene Fälle zur Verfügung, bei denen ein echter gefühlter Mehrwert geliefert werden kann.

An dieser Stelle ergänze ich das Thema Transparenz mit einem weiteren Beispiel: die Warteschleife. Dem Kunden sollte vor dem Eintreten in die Warteschleife die Wahl gegeben werden, ob er selber warten möchte, oder ob ein virtueller Assistent für ihn wartet. Im gleichen Zug kann ihm angeboten werden mittels Voicebot bereits einfache Fragen beantwortet zu bekommen. Das Serviceerlebnis wird transparent gestaltet, der Kunde ist Teil des Ganzen und wird so direkt miteinbezogen.

Eine Prognose über die Entwicklung der Mitarbeiterzahlen im Kundenservice der Zukunft fällt uns allen aus heutiger Sicht schwer, denn sie hängt von so vielen Faktoren ab. Wir gehen derzeit davon aus, dass alleine in Deutschland deutlich mehr als 500.000 Mitarbeiter im Kundenservice im Einsatz sind. Es gibt Thesen, dass in Zukunft deutlich mehr Mitarbeiter benötigt werden, und Gegenthesen, dass nur ein Bruchteil der heutigen Mitarbeiter noch im Kundenservice zu finden sein wird. Hier kommt es sehr stark auf die Betrachtungsweise und die Annahmen an.

Versuchen wir einmal – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – unterschiedliche Rahmenparameter zu betrachten:

1. Durch den Einsatz von Technologien,unter anderem KI, werden einfache Anfragen im Kundenservice voll automatisch verarbeitet.
2. Die Rechenleistungen der Computer nehmen weiterhin stark zu. Der Quantencomputer D-Wave 2X soll bereits eine komplexe Aufgabe mit einer Rechengeschwindigkeit, die 100 Millionen Mal schneller gewesen sei, gelöst haben.
3. Sprachsteuerung wird weiterhin an Akzeptanz zunehmen und im Service durch den Kunden akzeptiert. Bereits Anfang 2016 nutzten laut Bitkom 52 Prozent der Deutschen, die ein Smartphone verwenden, die Sprachsteuerung ihres Geräts.
4. Chatbots und Voicebots können Standardanfragen (Pareato-Prinzip) im Dialog überwiegend automatisiert lösen.
5. Zentrale Wissensmanagementsysteme können die notwendigen Informationen in Echtzeit für alle Kanäle zur Verfügung stellen.
6. Differenzierung wird in Zukunft immer stärker über den Service geschehen.
7. Kunden erwarten einen exzellenten Service möglichst rund um die Uhr.
8. Produkte können heute in der Regel nicht mehr ohne Service verkauft werden.
9. Kunden kontaktieren Unternehmen am liebsten über den Kanal ihrer Wahl – wenn das Unternehmen diese Kommunikationskanäle anbietet.
10. Produkte und Dienstleistungen werden immer stärker über Online-Shops gekauft. Unternehmen bauen ihr Serviceangebot immer stärker aus.

Der persönliche Dialog durch Menschen wird auch in Zukunft als werthaltig und vertrauenswürdig angesehen werden. Die Abteilungen Sales, Marketing und Service wachsen immer stärker zusammen. Sie sind die Schnittstellen ins Unternehmen und managen die immer komplexer werdende 1:1-Kundenbeziehung gemeinsam.

Diese Entwicklungen sprechen viel für eine spannende Zeit des Kundenservices in der Zukunft. Es wird immer stärker um Wissensvermittlung und Kundenbeziehungsmanagement gehen:

– Wie schaffe ich es als Unternehmen meine Kunden zielgerichtet zur richtigen Zeit mit den richtigen Themen anzusprechen?
– Kann ich nicht schon im Vorfeld erkennen, wann ein Kunde mit mir über welchen Kommunikationskanal Kontakt aufnehmen möchte?
– Welche Fragen sind zu lösen?
– Bei welchen Herausforderungen kann ich den Kunden aktiv unterstützen?
– Wie schaffe ich es ihn zu meinem Markenbotschafter zu machen?

Der Kundenservice mit seinen Wissens-Mitarbeitern wird zur Schaltzentrale der Kundenkommunikation mit viel Technologie. Sicherlich eine Herausforderung an uns alle, die wir gerne annehmen und gemeinsam mit Ihnen umsetzten möchten.

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